Der Herbst ist nicht nur die Zeit der kürzer werdenden Tage, der bunten Blätter und Kastanien, er ist vor allem auch die Zeit der Ernte. Dass uns die Natur jedes Jahr aufs Neue reich beschenkt, dafür kann man sich auch mal bedanken - das dachten sich schon die Römer oder die alten Griechen. Erntedankfeste gab es nämlich bereits, bevor es das Christentum gab.
Schon in vorchristlicher Zeit wurden also Opfer- und Erntefeste gefeiert. Die Menschen waren sich dessen bewusst, dass eine gute Ernte nicht allein in ihrer Hand lag und würdigten dementsprechend die Natur.
Das Erntedankfest lässt sich nicht wie Weihnachten oder Ostern auf ein Ereignis aus dem Leben Jesu zurückführen, dennoch ist es den Menschen seit jeher ein Bedürfnis, Gott für die Gaben der Natur zu danken. Noch bis in die frühe Neuzeit war der größte Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Die Menschen wussten, dass eine reiche Ernte, die sie über den Winter bringen würde, nicht selbstverständlich war und sie als Teil von Gottes Schöpfung verantwortungsbewusst mit ihr umgehen mussten. Mit den Erntedankfeiern brachten die Menschen also nicht nur die Freude über die eingefahrene Ernte, sondern auch den Dank über Gottes reichen Segen zum Ausdruck.
Die Bedeutung des Festes änderte sich im Laufe der Jahrhunderte vor allem durch Industrialisierung oder Globalisierung. Viele Obst- und Gemüsesorten sind durch den weltweiten Handel das ganze Jahr über in unseren Supermärkten verfügbar und das Wissen um den Zeitpunkt der Aussaat, Reifeprozess und Ernte ist immer weniger Menschen bekannt. Oft ist es von der SAAT zum DANKEN, wie Sie im Wortspiel dieses Koloman-Titels lesen können, ein weiter und steiniger Weg. Klimatische Veränderungen, stark ausgeprägte Umwelteinflüsse (wie Dürre oder Starkregenereignisse), hohe Produktionskosten oder auch der Rückgang der Artenvielfalt machen den Prozess des Werdens oftmals zu einem schwierigen Unterfangen, Landwirtschaften geraten zunehmend unter Druck und sind gezwungen, neue Wege zu beschreiten, um verantwortungsvoll produzieren zu können. Doch das Umweltbewusstsein vieler Menschen ist in den vergangenen Jahren gestiegen, Gedanken zur Bewahrung der Schöpfung wurden zentraler. Viele Menschen handeln bewusster, wenn es um Maßnahmen gegen den Klimawandel, Umweltverschmutzung, Lebensmittelverschwendung oder Massentierhaltung geht, bei gleichzeitig global gesehen immer größer werdenden Hungersnöten. Diese Gesichtspunkte fließen heute in unsere Erntedankfeste ein. Erntedank ist aber auch jene Zeit, in der wir dankbar auf all das, was uns gelungen ist, wo im Leben etwas wachsen und reifen konnte, blicken und auch Misslungenes gewürdigt werden kann. Generell zeigt die Forschung: Danken tut gut. Langsam nimmt die Wissenschaft dieses einzigartige Gefühl und sein großes Potenzial ernst. Es führt zu größerer Zufriedenheit und öffnet den Blick für Chancen und Möglichkeiten. Dankbarkeit wirke demnach wie ein Vergrößerungsglas. Wer häufiger dankbar ist, fokussiert sich automatisch stärker auf das Positive im eigenen Leben. Um das »Danken« im Alltag zu üben, braucht es Aufmerksamkeit für die Um- und Mitwelt und Entdeckungsgeist. Eine ganz einfache Übung kann Ihnen dabei helfen: Packen Sie am Beginn eines Tages eine Hand voll getrockneter Erbsen in die rechte Hosentasche. Bei jedem Augenblick der Dankbarkeit wandert eine dieser Erbsen in die andere Hosentasche, um damit am Ende des Tages Bilanz ziehen und dankbar zurückblicken zu können.
Viel Freude beim Erbsenzählen!
Text: Lisa Funiak
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