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»Nix geworden«

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Denkt man an die eigene Schulzeit zurück, dann kommt einem vieles in den Sinn. Erlebnisse mit Freund*innen, Erfahrungen mit Lehrer*innen sowie Erinnerungen an unterschiedliche Unternehmungen wie Ausflüge oder Reisen. Wer wie ich aus seiner Schulzeit nicht nur die guten Noten, sondern auch die weniger erfreulichen kennt, der denkt vielleicht auch an den Satz: »Das ist diesmal aber nix geworden.«

»Nix geworden.« So sagen Lehrerinnen und Lehrer gerne bei der Rückgabe von Tests und Schularbeiten, bei denen der erhoffte oder erwartete Erfolg ausgeblieben ist. Ich weiß das, ich habe es früher selbst gehört und ich gestehe, als Lehrer rutscht es mir heute selbst auch über die Lippen. Als Schüler habe ich bei diesem Satz die unterschiedlichsten Gefühle gehabt. Ärger, weil ich den Misserfolg nicht wahrhaben wollte. Verständnis, weil ich nichts oder zu wenig gelernt hatte. Angst, wie ich das zuhause erklären sollte. Wut, weil ich das Ergebnis als Ungerechtigkeit empfunden habe. Verwunderung, weil ich nicht damit gerechnet habe. Verzweiflung, weil ich doch so viel gelernt und investiert habe. Das eine Mal wusste ich, warum der Erfolg ausblieb, das andere Mal aber war es mir völlig unerklärlich, warum ich die erhoffte Ernte nicht einfahren konnte.

Ich denke, Misserfolg ist eine zutiefst menschliche Erfahrung, die zum Leben auch dazugehört und mit der wir in allen Lebensaltern eine Form des Umgangs finden müssen. Ein Gedanke, der mich dabei beschäftigt ist jener, dass wir auch immer wieder erleben, trotz vieler Mühen, Vorbereitungen und Energie nicht automatisch mit Erfolg am Ende rechnen zu können. Wir alle haben zwar von klein auf gehört: »Wenn du dich nur ordentlich bemühst, dann wird es schon klappen.« Das stimmt aber manchmal überhaupt nicht. Das wissen wir nicht nur aus unserer Schulzeit.

Im Garten oder am Feld erleben wir es leider immer wieder, dass die Ernte »nix geworden« ist, obwohl wir scheinbar alles richtig gemacht haben. Da macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung bzw. wir hatten einfach Pech mit Setzlingen oder Saat.

Im Berufsleben können Erfolg, Belohnung oder Beförderung genauso ausbleiben, obwohl ich mich regelrecht aufgeopfert, sehr viel investiert und eventuell mehr geleistet habe als die Kolleg*innen.

Besonders schmerzhaft erfahren wir es, wenn es um die Gesundheit geht. Warum erwischt die Erkrankung bzw. körperliche Schwäche ausgerechnet mich, der ich doch gesund und sportlich lebe? Wo bleibt denn endlich der Erfolg der Therapie, den ich mir gemeinsam mit Ärzten und Therapeuten erhoffe? Habe ich etwas falsch gemacht?

Auch Beziehungen können in die Krise geraten oder gar zerbrechen. Der Begriff »Beziehungsarbeit« ist wohl ein wenig schmeichelhafter Begriff für all unsere zwischenmenschlichen Bemühungen, auch wenn er einen wahren Kern hat. Denn natürlich müssen wir auch in zwischenmenschliche Beziehungen viel Zeit, Energie und vor allem Liebe »investieren« und haben dennoch keine Garantie auf »Erfolg«. Wenn wir sagen, eine Freundschaft, Partnerschaft oder Ehe sei ein Geschenk, dann sprechen wir genau diese Fragilität und Unsicherheit an, die all diesen Formen innewohnt. Uns ist klar, Beziehungen können zerbrechen, und daher sind wir dankbar, wenn sie bestehen.

Gleiches gilt auch für den Glauben und das Gebet, denn in der Beziehung zu Gott meinen wir Menschen seit jeher auch zu erleben, dass er uns nicht automatisch (er-)hört. Im Buch Hiob ist diese Erfahrung zur eindrücklichen biblischen Geschichte verdichtet worden. Der rechtschaffene Hiob, der sich an alle religiösen Regeln hält, eifrig betet und opfert, verliert trotzdem alles, was er hat. Offensichtlich erntet er nicht das, was er gesät hat. Freunde und Bekannte geben ihm Tipps und Ratschläge. Was grundsätzlich gut gemeint sein mag und in vielen Fällen wertvolle Hilfe ist, schlägt in diesem Fall aber ins Gegenteil um. Denn in den Ratschlägen zeigt sich das Unverständnis der Freunde, in ihnen schwingt nämlich die Botschaft mit, Hiob habe offensichtlich etwas falsch gemacht. Kommt uns das nicht bekannt vor?

Im biblischen Buch bleibt Hiob weitgehend gelassen und freundlich, das wundert mich. Ich tu mir da immer viel schwerer. Natürlich weiß ich auch, dass mir Ratgeber helfen und nichts Böses wollen. Aber wenn ich doch alles richtig gemacht habe, anständig Zeit und Energie in eine Sache investiert habe und dennoch ist es »nix geworden«, dann kann es mich wirklich nerven, auch noch kluge Ratschläge zu hören, wie‘s das nächste Mal besser gelingt. So ehrlich muss ich jetzt sein.

Freilich besteht immer ein Unterschied in der Sache. Denn ob trotz aller Mühen Fisolen in diesem Jahr nicht aufgegangen sind, ich in einer Beziehung bei aller Freundlichkeit enttäuscht werde oder ob ich bei gesundem Lebenswandel dennoch an einer unerwarteten Erkrankung leide, sind gänzlich verschiedene Dinge. Das eine mag ärgerlich sein, das andere aber ist richtig bedrohlich. Rat und Hilfe sind hier selbstverständlich viel differenzierter zu beurteilen. Aber anderes ist hier gemeint:

Ja, der verdiente Lohn kann ausbleiben und wir ernten nicht immer, was wir säen. (Andere übrigens auch nicht, das ärgert uns genauso.) Aufwand, Hilfe und Ratschläge sind nicht automatisch Garantie für Erfolg und reiche Ernte. Wenn wir Erntedank feiern, dann denken wir dies mit und geben der Hoffnung Ausdruck, dass eben nicht das Scheitern übrigbleibt, sondern das Gelungene. Wir hoffen dann, dass es uns wie Hiob geht: Für ihn wird letztlich alles gut, obwohl ihm Gott nicht wirklich erklärt, warum vorher alles schiefgegangen und »nix geworden« ist.

Vielleicht brauchen auch wir nicht verstehen, warum manches zur reichen Ernte wird, anderes aber »nix geworden ist«. Hauptsache wir säen immer neu, denn darin liegt eine große Hoffnung.

Text: Raimund Stadlmann
Bild: AdobeStock_296659732