Säen und ernten ist ein Grundprinzip des Lebens, das schon so alt ist wie menschliches Wissen über Saat und Ernte. Deshalb greift auch die Bibel immer wieder dieses Motiv auf.
Bei vielen biblischen Bildern spielt dabei der sogenannte Tun-Ergehen-Zusammenhang eine große Rolle, also die Annahme, dass Menschen das, was sie säen, auch ernten. Und dass vieles in der Abfolge Saat und Ernte nicht in unserer Macht steht. So weiß der Psalmist: »Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst.« (Ps 104,14)
Und eine gute Ernte war für die Menschen im AT von immenser Wichtigkeit, hing doch das Überleben entscheidend davon ab, dass durch das Ernten genügend Vorräte für den täglichen Lebensunterhalt vorhanden waren. Eine gute Ernte bedeutete Glück und Freude. So lesen wir bei Jes 16,9f: » … denn über deine Obsternte, über deine ganze Erntezeit, ist das Jauchzen gefallen.« Eine schlechte und ausbleibende Ernte hingegen bedeutete Hunger und Verderben. Beide Aspekte werden uns in der Josefsgeschichte vor Augen geführt. Als die Hungerjahre nahten und seine Brüder nach Ägypten zogen, um Getreide zu kaufen, begegnen sie ihrem Bruder, der sich ihnen zu erkennen gibt und zu ihnen sagt: »Ja, zwei Jahre sind es jetzt schon, dass der Hunger im Land wütet. Und noch fünf Jahre stehen bevor, in denen man weder pflügen noch ernten wird. Gott aber hat mich vor euch hergeschickt, um von euch im Land einen Rest zu erhalten und viele von euch eine große Rettungstat erleben zu lassen.« (Gen 45,6)
Der Saat-Erntegedanke wird im AT auch metaphorisch gebraucht. Dabei stehen vor allem das negative Tun und die sich einstellenden negativen Folgen im Blickpunkt, so z.B. in Spr 22,8: »Wer Unheil sät, wird Unheil ernten«. Er wird auch auf andere Größen bezogen wie z.B. Gerechtigkeit oder Frieden. So heißt es beim Propheten Hosea: »Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maße der Liebe! Pflüget ein Neues, solange es Zeit ist, den Herrn zu suchen, bis er kommt und Gerechtigkeit über euch regnen lässt!« (Hos 10,12).
Manche Texte des AT zeugen auch von der Mühe und der Vergeblichkeit des Säens. Im Buch Hiob ist beispielsweise vom Ernten die Rede, von dem der Säende nichts hat: »So will ich säen, aber ein anderer soll es essen, und was mir gewachsen ist, soll entwurzelt werden.« (Ijob 31,8)
Ein letzter Aspekt betrifft die kultischen Feste. Da den Menschen bewusst war, dass man die Früchte der Ernte Gott verdankt, kamen die ersten Früchte auch Gott bzw. den Priestern zu und der Zehnte von allem Erntegut war für Jahwe bestimmt. Da aufgrund der klimatischen Bedingungen in Israel mehrere Ernten möglich sind, wurden und werden bis heute auch mehrere Erntedankfeste gefeiert. Am Anfang der Getreideernte das Fest der Ungesäuerten Brote »Mazzot«, zum Abschluss das Wochenfest, »Schawuot«
genannt. Das Laubhüttenfest »Sukkot« wird zum Abschluss der Olivenernte und der Weinlese gefeiert. Jüdischer Glaube verbindet so den Dank an den Schöpfergott im Rhythmus des Jahres mit der Erinnerung an den Auszug aus Ägypten durch den befreienden Gott Jahwe.
Interessant ist, dass das AT auch eine ganze Reihe von Regelungen kennt, wie die Ernte auch den armen Menschen zugutekommen soll. Es sind soziale Gesetzgebungen, wenn es heißt: »Wenn du dein Feld aberntest und eine Garbe auf dem Feld vergisst, sollst du nicht umkehren, um sie zu holen. Sie soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören ... « (Dtn 24,19).
Der neutestamentliche Gebrauch vom Saat- und Erntegedanken entspricht im Prinzip dem im Alten Testament. Ausgehend von der alltagspraktischen Bedeutung vom Säen und Ernten für das Leben der Menschen erzählt darüber hinaus Christus in seinen Gleichnissen, was dies mit dem Reich Gottes zu tun hat. In einfachen Worten und Bildern versucht er, Gottes wenig greifbares Reich fassbar zu machen. So sagt er einmal: »Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben?
Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmelsnisten können.«
(Mk 4, 26-34)
Jesus war sich sicher: Das Reich Gottes wächst unaufhaltsam, aus innerer Kraft, die Gott hineingelegt hat, wie in einem Samenkorn schon die ganze Kraft zum Wachsen angelegt ist. – In diesem Vertrauen lebt und predigt Jesus. Zu diesem Vertrauen ermuntert er seine Jünger und auch uns heute. Wir sollen vom Senfkorn lernen, dass viel mehr geht, als wir glauben und dass Gott, der dem Senfkorn die Kraft gegeben hat, um eine große Staude zu werden, auch uns die Kraft geben wird, damit wir die Welt besser machen können.
Mit seinem Gleichnis vom Weizen und Unkraut (Mt 13) weiß er aber auch um die Vergeblichkeit des Säens. Hier steht die Einsicht im Mittelpunkt, dass auch nach gewissenhafter Aussaat nicht so einfach zu erkennen ist, wo das Reich Gottes unter uns wächst und wo nicht, und dass wir ein abschließendes Urteil darüber lieber Gott überlassen sollen.
»Was ein Mensch sät, das wird er auch ernten«, lesen wir in Galater 6,7. Dieses Prinzip von Saat und Ernte gilt für all unsere Lebensbereiche. Was wir heute aussäen an Gedanken, Worten und Werken, werden wir morgen ernten. Gutes wie Böses. Was säen wir im täglichen Leben – bewusst oder unbeabsichtigt? Sind wir uns der langfristigen Konsequenzen unseres Handelns bewusst?
Und auf die Frage nach dem ewigen Leben greift Paulus auch zum Bild des Samenkorns (1 Kor 15,35-58).
Dabei legt er Wert darauf, dass aus der Form und Beschaffenheit eines Samens niemand auf die Form der Pflanze oder der Frucht schließen kann. Trotzdem ist die Verbindung von Samen, Pflanze und Frucht unbestreitbar. Paulus macht damit deutlich, dass es auch eine Verbindung zwischen unserem Leben in dieser Zeit auf dieser Erde und unserem Leben in Ewigkeit auf der neuen Erde gibt. Wir werden die gleichen Personen sein, aber doch werden wir einen neuen Körper
erhalten, der völlig neu ist und doch in einer geheimnisvollen Verbindung zum jetzigen Körper steht. Unser neuer Körper wird ein menschlicher sein, aber doch so beschaffen, dass er in die ewige Welt passt.
Text: August Brückler
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