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»Baum - Symbol des Lebens«

Sie sind hier:

»Das ICH ist mehr, als es ist,
die vielen DU sind mehr, als sie sind,
die WELT ist mehr, als sie ist.
Sie alle können verweisen auf GOTT,
und Gott ist mehr als alles.«

Rainer Oberthür: Das Buch der Symbole

Um dieses Mehr erahnen zu können, um das Unsichtbare sichtbar zu machen, brauchen wir Symbole. Sie begegnen uns in unserer Wirklichkeit, wenn wir den Himmel sehen oder uns über die Sonne freuen, Wasser trinken oder Brot essen. Wir benutzen sie aber auch in unserer Sprache, als Wortbilder, sie sind uns vertraut und wir haben gelernt, uns durch sie zu verständigen und auch das Unbegreifliche ein wenig zu begreifen.

Ein solches Symbol, über das Menschen über Jahrtausende hinweg in unterschiedlichsten Kulturen und Religionen Zugänge suchten und staunten, ist der Baum. Er ist eines der bedeutungsreichsten und weitverbreitetsten Symbole. Er ist in den meisten alten Kulturen als Sitz der Götter oder anderer übernatürlicher Wesen verehrt worden. Bäume auf alten, christlichen Bildern und Darstellungen können verschiedene Bedeutungen haben. Auf alle Fälle ist der Baum ein Hinweis auf Leben und Fruchtbarkeit. Sein Wachsen, Blühen, Früchtebringen, Absterben und wieder Erwachen ist Bild für das Leben überhaupt. Der Baum erinnert an den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen am Beginn der Alten Testaments. So sind wir in der christlichen Kunst eingeladen, einen zweiten Blick auf das Kreuz zu werfen.

In Christus am Kreuz ist Gott unter uns gegenwärtig. Das Kreuz ist für Christ*innen das Zeichen des Heils, ein blühender Lebensbaum, der wie in dem Mosaik der römischen Basilika San Clemente übersprießt und überquillt vor Leben.

Was findet die Menschheit aber bis heute so faszinierend an Bäumen? Wer liebte es nicht, als Kinder auf Bäume zu klettern oder darauf Baumhäuser zu bauen? Seine erste große Liebe im Stamm eines Baumes zu verewigen, um sie zu festigen, um sie in die Welt hinauszuposaunen? Ist es nicht schön, an einem sonnigen Tag darunter zu liegen und den Moment einfach
zu genießen, die Blätter beim Tanzen im Wind zu beobachten? Wie oft war sein dichtes Blätterdach schon Unterschlupf, wenn es plötzlich zu regnen begann? Oder wie berührend ist es, die schroffe Rinde zu ertasten und sich dabei Geschichten auszumalen, die der Baum in der langen Zeit seines Wachsens schon erlebt haben muss?

Der Baum steht aufrecht und ist durch seine tiefen Wurzeln fest verankert. Mit ihm verbinden wir unaufhaltsames Wachstum, außerordentliche Kraft und innere Stärke. An seinen robusten Stamm können wir uns ohne Sorgen anlehnen oder uns abstützen. Seine Äste strecken sich empor zum Himmel. Sie zeigen uns den Weg über uns hinaus. Sie geben uns das Gefühl einer hoffnungsvollen Zukunft. Vielleicht sind wir also auch deshalb so fasziniert, weil Bäume uns als Vorbild dienen können, weil wir genauso fest, genauso aufrecht, mit ebenso starkem Rückgrat, im Leben stehen wollen wie sie. Wie der Baum suchen wir die Verbindung zwischen Himmel und der Erde. Wir wollen es dem Baum gleichtun, uns erheben und uns zeigen.

Text: Lisa Funiak
Bild: ©AdobeStock_305807579.jpg